"Experiences statt Eigentum"

"Experiences statt Eigentum"

Der Schweizer Unternehmer und Minimalist Cédric Waldburger erklärt, warum Eigentum ihn in seiner Freiheit einschränkt und verrät, welchen unnötigen Gegenstand er dennoch besitzt.

Herr Waldburger, was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, minimalistisch zu leben?
Schon als Kind habe ich kaum Sachen gesammelt. Deutlicher wurde das, als ich meine erste Firma gründete und anfing, mehr zu reisen. Mir wurde klar: Wenn ich immer da sein möchte, wo ich etwas Spannendes erleben kann, brauche ich weniger Gepäck. Das war für mich einer der Beweggründe. Meiner Passion, Firmen zu gründen und weiterzuentwickeln, kann ich besser nachgehen, wenn ich weniger besitze. Es ist also ein Mittel zum Zweck. Und dann habe ich gemerkt, dass es mich auch glücklicher macht. Mich macht es glücklich, Menschen zu treffen, Experiences zu sammeln und Dinge zu lernen, nicht Dinge zu besitzen.

Eine Zeit lang haben Sie nur 64 Gegenstände besessen? Wie viele sind es aktuell?
Das weiß ich nicht genau. Ende 2019 bin ich mit meiner Freundin zusammengezogen. Vor ein bisschen weniger als zwei Jahren bin ich Vater geworden. Dadurch sind es ein paar mehr Gegenstände geworden. Trotzdem leben wir nach wie vor sehr minimalistisch. Wir ziehen auch nach wie vor alle drei Monate um. Auf den Umzügen haben wir dann jeweils einen Handgepäckkoffer bei uns und einen Koffer mit den Sachen für unsere Tochter. Also immer noch weniger als sich bei einem festen Wohnort so ansammeln würde.

Wenn ich immer da sein möchte, wo ich etwas Spannendes erleben kann, brauche ich weniger Gepäck.

 

Gibt es einen Gegenstand, den sie nicht benötigen, aber trotzdem behalten haben?
Meine Kamera, mit der ich Momente festhalten kann. Ich bin passionierter Fotograf – »brauche« sie aber in dem Sinne nicht.

Welche praktischen Tipps haben Sie für unsere Leserinnen und Leser, um sich von Dingen zu trennen?
Als ich angefangen habe auszumisten, hing ich emotional noch an manchen Dingen, z. B. ein T-Shirt hatte ich häufig und gerne an. Ich habe einen 90-Tage- Rhythmus eingeführt. Alles, was ich 90 Tage lang nicht benutzt habe, habe ich weggegeben. Durch diesen Zyklus wurde es dann für mich einfacher, mich von Dingen zu trennen. Von vielen Dingen kann man auch Erinnerungsfotos machen – so habe ich das mit meinem Lieblings-T-Shirt getan.

Sie haben mit 14 Jahren Ihr erstes Unternehmen gegründet. Was hat Sie inspiriert?
Probleme zu lösen. Bei einem Unternehmen hat man besonders viele davon. Damals habe ich mit einem Freund zusammen entschieden, eine Website für den lokalen Pfadfinder-Verein zu gründen. Zu der Zeit konnten das noch nicht viele. Danach haben wir viel für Freunde und Familie gearbeitet. Nach ein paar Jahren konnten wir unsere ersten Mitarbeiter einstellen. Neben der Schule war es toll, solche Erfahrungen zu sammeln und Verantwortung zu tragen.

Sie sind auch Business Angel. Was macht mehr Spaß: Investieren oder Gründen?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich konnte mich nie ganz festlegen und hatte immer Phasen, in denen ich das eine mehr gemacht haben als das andere.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob Sie in ein Start-up investieren?
Die meisten Firmen, in die ich investiere, haben einen Software-Bezug. Das wichtigste Kriterium aber ist für mich das Team – das muss zusammenpassen, auch um später fähige Leute einzustellen. Spannend ist für mich auch, wie junge Gründer mit Misserfolgen umgehen. Das sagt viel über Menschen aus.

Spannend ist für mich auch, wie junge Gründer mit Misserfolgen umgehen. Das sagt viel über Menschen aus.

 

Was halten Sie von TV-Formaten wie Höhle der Löwen oder Shark Tank?
Die finde ich klasse. Solche Formate geben gerade Neulingen einen guten Einblick in die Start-up-Kultur. Letztendlich ist es aber auch viel Show und nicht ganz nah an der Realität. Nicht alle Investments, die in der Show gemacht werden, finden tatsächlich statt. Ich wurde einmal für die Schweizer Variante angefragt. Ich habe abgelehnt, denn ich investiere ja hauptsächlich in komplexe Tech-Start-ups, die sich nicht so leicht für den Zuschauer abbilden lassen, wie etwa ein E-Scooter.

Sie haben ja fast die ganze Welt gesehen … Wo sollte jeder Unternehmer einmal hin?
Ich war in diesem Jahr zum ersten Mal in der Antarktis und habe dort beeindruckende Pinguin-Kolonien gesehen. Natur tut mir gut und erdet mich. Am besten geht man als Unternehmer an einen Ort, an dem man gar nicht arbeiten kann. (lacht)

Und was sollte jeder Unternehmer einmal im Leben getan haben?
Sich ganz bewusst fragen: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Und was ist Ballast, den ich loswerden kann? Gerade bei Routinen sollte man irgendwann kritisch hinterfragen, was diese wirklich bewirken.

Zur Person

Cédric Waldburger

ist mit 34 Jahren Gründer, Unternehmer und Vertreter eines minimalistischen Lebensstils. Dafür befreite er sich von allem, was ihm unwichtig erschien, um sich auf das Wesentliche des Lebens zu konzentrieren. Der Schweizer gründete sein erstes Unternehmen im Alter von 14 Jahren. Zu den von ihm gegründeten Firmen gehört u. a. auch die Tomahawk.VC, ein Risikokapitalfonds mit Fokus auf wachstumsstarke Unternehmen im Web3-Umfeld.

 


 
Partner
Logo Deutsche Bank

Die Stimme der Familienunternehmer