Der Tod kommt in den besten Familien vor
Der Tod kommt in den besten Familien vor
In modernen Gesellschaften ist der Tod „outgesourct“. Friedhöfe verschwinden hinter Mauern, Dienstleister holen Leichen im Krankenhaus ab und organisieren Bestattungen nach Schema F, Angehörige bekommen Verstorbene nicht mehr zu Gesicht. Hanna Thiele-Roth findet das schlimm. Die Co-Geschäftsführerin der Pütz-Roth Bestattungen und Trauerbegleitung oHG erinnert an unsere Vorfahren: „Die Nachbarn kamen ins Haus, man sprach über den Toten, spendete Trost. Und beerdigt wurde neben der Kirche, also mitten im Dorf, mitten im Leben.“
In Bergisch-Gladbach holen Hanna und David Roth ein Stück dieser Trauerkultur zurück. Gemeinsam mit ihrer Mutter führen die Geschwister die „Gärten der Bestattung“. Deutschlands erster Privatfriedhof – gegründet von Vater Fritz Roth – erinnert mit seinem natürlichen Baumbestand, den Kunstinstallationen und Buschwindrosen an einen Park. „Die Gärten der Bestattung verweigern sich dem Eindruck, der Tod sei eine dunkle Macht“, sagt David Roth. „Bei uns spielen die Kinder eines benachbarten Kindergartens, im Sommer wird gegrillt, wir veranstalten Konzerte, Jugendliche treffen sich in der Clique.“
Obwohl kein Zaun das hügelige Waldstück umgibt, habe nie jemand Müll liegenlassen oder sich an den Gräbern vergriffen. „Zwar beschweren sich gelegentlich Angehörige, es seien Blumen gestohlen worden“, so David Roth. „Wir müssen die Diebe aber gewähren lassen: Rehe haben Rosen zum Fressen gern.“
Auf knapp einem Drittel der 8,5 Hektar großen Fläche gestalten Angehörige die Gräber selbst. So erinnert beispielsweise eine verwitternde Gitarre daran, wie sehr der Verstorbene Musik liebte. An einer anderen Stelle liegt der Gipsabdruck eines Schwangerenbauchs – ein Stillleben, das selbst Fremde rührt. Zwar recken hier und da auch Engel aus dem Baumarkt ihre Pausbacken durchs Unterholz.
Doch selbst solcher Kitsch ist willkommen: „Wir schreiben niemandem vor, wie er sich an einen geliebten Menschen zu erinnern hat“, sagt Hanna Thiele-Roth. „Eigene Ideen sind erwünscht.“ Das gilt vor allem für die Trauerfeier, die bei den Roths „letzte Lebensfeier“ heißt. „Bei uns gab’s schon die Toten Hosen zu hören“, berichtet die 31-Jährige. Und kürzlich habe eine Familie am offenen Sarg gestanden und der Oma ein Gute-Nacht-Lied vorgetragen. „Dieses Lied hatte die Frau ihren Kindern und Enkeln zum Einschlafen vorgesungen.“ Auch die Frage, wie lange jemand Abschied nehmen möchte, klärt das Bestattungsunternehmen im persönlichen Gespräch. „Wir behalten Verstorbene bis zu drei Wochen bei uns“, sagt David Roth. „Angehörige können kommen, so oft sie wollen.“ Das Ergebnis eines solchen Abschieds hängt in der Bibliothek des Bestattungshauses. Eine Künstlerin hat die Trauer um ihre Mutter in Zeichnungen verarbeitet. „Man kann den Prozess gut nachvollziehen“, findet David Roth.
Als Dienstleister sind es die Geschwister gewohnt, sich zurückzunehmen. „Klar hat keiner Bock auf unseren Service“, scherzt David Roth. „Aber wir unterstützen, wenn jemand Beistand braucht.“ Worin der bestehen kann? Zum Beispiel darin, gemeinsam die Lieblingsgerichte eines Verstorbenen zu kochen. Das bringe die Angehörigen ins Gespräch und löse Emotionen. „Wir verfahren ganz nach einem urrheinischen Motto“, sagt David Roth: „Von Herzen lachen und von Herzen weinen.“
Die Familie
David Roth, geboren 1978, ist Betriebswirt und hat neben seiner Ausbildung zum Trauerbegleiter Erfahrungen in Hotels und Hospizen gesammelt. Der vierfache Vater hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen durch Vorträge und Publikationen zum Thema Sterben gemacht. David Roths neun Jahre jüngere Schwester Hanna arbeitet seit 2011 im Familienunternehmen. Die Mutter von zwei Kindern bringt ihre Kenntnisse als studierte Eventmanagerin ein. Die Geschwister teilen sich die Geschäftsführung mit ihrer Mutter Inge Roth.
Das Unternehmen
Pütz-Roth Bestattungen und Trauerbegleitung oHG Branche: Bestattungswesen Gründung: 1983 Mitarbeiter: 40